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AutorenbildSabine Hulsebosch

Sei LIEB!!! Über funktionierende Frühwarnsysteme.

Aktualisiert: 16. Juni 2021

Letzte Gassirunde, der Hund muss wirklich noch mal raus. Da gibt es nichts. Frauchen tritt auf die Strasse. Ein schöner, letzter Spaziergang kurz vor dem Schlafengehen. Auch ihr wird die frische Luft gut tun. Aber die letzte Runde wird ihr nicht gut tun. Die letzte Runde um den nachbarlichen Block ist nie gut. Sie ist alles andere als ein Spaziergang. Sie sind nämlich nicht allein unterwegs. In Wahrheit zieht sie in den Kampf. Sie weiß es und sie wird auch heute nicht enttäuscht. Es dauert keine drei Schritte.


Über Frühwarnsysteme und weiteren ungünstigen Missverständnissen

Er springt in die Leine, schießt nach vorne, wütendes Gebell. Klare Kampfansage. Frauchen kann sich gerade noch festhalten, er hängt zappelnd im Geschirr. Was macht sie nur?

Wie soll er so seine Aufgabe erledigen? Diesmal will er es richtig machen, sie sind inzwischen ein echt eingespieltes Team: Frauchen passt auf und scannt die Lage. Er kann schnell noch mal markieren. Das Frühwarnsystem funktioniert perfekt. Ein kurzer Leinenruck, ein geflüstertes Kommando „Bei Fuß!“ und er weiß Bescheid. Der Feind naht. Gemeinsam zieht man in den Kampf. Er legt los, angefeuert durch sein Frauchen. „Sitzzz“, „Plaaaatz“, „Hiiiiier!“„Sei still!“ und „Alles ist gut!“. Eine runde Sache. Aus Sicht des Hundes. Nur komisch, dass Frauchen sich danach noch lange nicht beruhigt. Ist doch alles gut gelaufen. Der Feind ist vertrieben, ganz kleinlaut, mit Herrchen hinterher. Die Strasse gehört wieder ihm! Er fühlt sich super, noch lange danach und sie verzweifelt, noch länger danach und jeden Tag ein bisschen mehr.

Immer neue Katastrophen

Hunde die sich aggressiv Artgenossen gegenüber gebärden, sind für ihre Halter ein großes Problem. Ob Leinenaggression oder aggressiv im Freilauf oder unvorhersehbar im Spiel: das Problem scheint unlösbar. Die Versuche, das Verhalten des Hundes zu verändern, münden in neuere Katastrophen und bewirken nicht selten das Gegenteil. Hundehalter geben auf und führen ihre Hunde aus, wo sie hoffen, niemandem zu begegnen. Diesen Ort gibt es nicht und so sind beide, Hund und Halter, Opfer eines Teufelskreises, aus dem man ohne fachkundige Unterstützung nicht mehr heraus finden wird.

Auch wenn es vielen Menschen nicht so recht in ihr Weltbild und vor allem in das Bild, das sie von ihrem Vierbeiner haben, passt: aggressives Verhalten ist ganz normaler Bestandteil des hundlichen Sozialverhaltens. Hunde zeigen im Gegensatz zu ihrem Stammvater, dem Wolf, ein deutlich weniger differenzierteres Ausdrucks- und Drohverhalten. Sie drohen in Regel viel kürzer. Als Folge hieraus können Auseinandersetzungen eher eskalieren.

Aber wenn auch Aggression Artgenossen gegenüber erstmal arttypisch und normal ist, es passt nicht in unser Leben, das wir mit dem Hund teilen. Der Versuch, Kontakte zu Artgenossen zu vermeiden  schränkt uns stark ein. Satt diesen entspannt zu zweit zu genießen, wird der Spaziergang zu einem Spießrutenlauf. Aggressionen können zu bösen Auseinandersetzungen führen. Unkontrollierbar aggressives Verhalten seitens des Hundes ist unerwünscht und nicht tolerabel.

Aggressives Verhalten wird meist erlernt

Unsere Hundeschule bietet im Rahmen der Resozialisierung Hilfe für Hunde, die innerartliche Aggression zeigen, also agonistisches Verhalten gegenüber Artgenossen. Ob Leinenaggression, Ressourcenverteidigung oder sexuelle Konkurrenz als Ursache zugrunde liegt, das Verhalten angst oder frustrationsbedingt ist oder ob es sich um eine Kombination aus beiden Faktoren handelt:  aggressives Verhalten ist eine aus Sicht des Hundes sinnvolle Strategie der Konfliktbewältigung und wirkt stark selbstbelohnend.  In den meisten Fällen wird wie oben beschrieben ungewollt die Aggression des Hundes verstärkt.

In der Verhaltenskunde werden die aggressiven Verhaltensweisen in verschieden Eskalationsstufen unterteilt, die Aufschluss geben über den Grad des unerwünschten Verhaltens und eine Prognose über den Therapieverlauf ermöglichen. Die Einteilung beginnt bei der Drohung auf Distanz und endet bei der letzten Stufe, der ungehemmten Beschädigung. Bei letzterem ist das eindeutige Ziel der Kontrahenten, dem Gegner möglichst großen Schaden zuzufügen. Werden knurrend die Zähne gezeigt und kurze Bisse gegeneinander gerichtet, ohne das gezielt ins Fell des Kontrahenten gebissen wird, spricht man von Distanzdrohung mit gelegentlichem Körperkontakt. Legt der Aggressor seine Vorderbeine quer von der Seite oder schräg von hinten auf den Rücken des Gegners, droht oder richtet durch Vorstoßen des Kopfes Bisse gegen dessen Kopf oder Nacken, spricht man von Körperkontakt mit Einschränkung der Bewegungsfreiheit. stößt mit gesenktem und nach vorne gerichtetem kopf gegen den Gegner und beißt mehr oder weniger fest zu, handelt es sich um gehemmte Beschädigung. Einen Ernstkampf unter zwei Kontrahenten erkennt man an der zumeist lautlosen Auseinandersetzung, bei der die Hunde mit großer Intensität versuchen, sich möglichst im Bereich des Kopfes, der Schnauze oder am Hals ernsthafte Bisse zuzufügen. Man sieht dabei ein intensives Beißschütteln.

Kritische Konflikte 

Oftmals gibt es bei Auseinandersetzungen zwischen Hunden schon nach kurzer Zeit einen Gewinner und einen Verlierer. Sie ist dann beendet, wenn der Verlierer die Flucht ergreift, sofern das möglich ist, oder dem Gegner seine Unterlegenheit demonstriert und der Gewinner die Auseinandersetzung für beendet erklärt. Ein gut sozialisierter Hund gibt sich mit dem Demutsverhalten des anderen zufrieden und verlässt den Schauplatz. Dieses Verhalten zeigen leider nicht alle Hunde, sodass der Verlierer womöglich Gefahr läuft, vom Kontrahenten ernsthaft verletzt zu werden. Dabei kann der Gewinner so lange in offensiver Drohhaltung vor oder über dem Verlierer stehen bleiben, wie es ihm beliebt. Der Verlierer bleibt dabei solange in passiver Demutshaltung, bis der Gewinner sich abwendet und geht. Eine solche Sequenz kann bis zu 20 Minuten dauern. Würde man jetzt den unterlegenen abrufen, provoziert man unter Umständen einen erneuten heftigen Angriff des Überlegenen. Nähert man sich dem Überlegenen, versteht dieser diese Annäherung womöglich als gemeinsamen Angriff auf den Unterlegenen. Und setzt nochmals nach.

Was Du tun kannst

Du siehst, wie schwierig es ist, sich in bei Auseinandersetzungen ernsterer Natur richtig zu verhalten. Richtiges Timing ist dabei Vorraussetzung, um überhaupt noch agieren zu können.  Unter unserer Anleitung lernen Du und Dein Hund Demutsverhalten als solches zu erkennen und sein Kampfverhalten auf Deine Anweisung hin zu unterbrechen.

Als Hundehalter bekommst Du in unseren Trainingseinheiten genaue Instruktionen, wie Du Dich in solchen kritischen Situationen verhalten solltest, um Auseinandersetzungen von Beginn an zu deeskalieren. Du lernst das Ausdrucksverhalten Deines Hundes zu lesen und erste Anzeichen aggressiven Verhaltens zu erkennen. Nur durch rechtzeitiges, gut überlegtes und sicheres Handeln vor der Eskalation hast Du die Möglichkeit einzuwirken. Sind die Hunde erstmals ineinander verkeilt, gibt es nicht mehr viel, was man tun kann, ohne selbst ernsthaft in Gefahr zu geraten, verletzt zu werden. Hunde in der Phase der ungehemmten Beschädigung sind weder ansprechbar noch kann man in irgendeiner Form auf sie einwirken. In dieser Situation kämpft der Hund schlichtweg um sein Überleben.

Der Schwerpunkt in unserem Training liegt in der Erarbeitung von Techniken, die zu einer Verhaltensänderung bei Deinem Hund führen. Es geht darum, sogenannte Stressoren und Verstärker, die die unerwünschte Reaktion des Hundes herbeiführen, frühzeitig zu erkennen. In langsamen Schritten wird Dein Hund an diese herangeführt und lernt, mit Konflikten verhältnismäßig umzugehen.  

Resozialisierung: Der Weg zurück.

Die Resozialisierung findet anfangs im Einzelunterricht, im Verlauf der weiteren Therapie auf gemeinsamen Spaziergängen in einer gemischten Gruppe aus gut sozialisierten Hunden mit Maulkorb statt. Unter Anleitung wird Dein Hund in die Gruppe eingegliedert. Ziel des Kurses ist es, im entscheidenden Moment richtig einzuwirken und unerwünschtes Verhalten umzulenken.

Unser Ziel ist es, Euch darin zu unterstützen, Schritt für Schritt einander zu vertrauen. Beide, Du & Dein Hund lernen, sich wieder aufeinander zu verlassen. Dieser Weg kann unter Umständen Zeit und sehr viel Geduld brauchen. Es kann sein, dass Ihr beide nie wirklich entspannt gemeinsam mit anderen Hunden laufen könnt. Aggressives Verhalten lässt sich in manchen Fällen nicht vollständig revidieren. Aber Ihr könnt lernen, kritische Situationen zu erkennen und rechtzeitig entgegen zu wirken.




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