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  • AutorenbildSabine Hulsebosch

Jagdfieber. Kapitulieren oder geht da noch was..?

Aktualisiert: 3. Juli 2020

Es ist ein traumhaft schöner Wintertag, wie aus dem Märchenbuch. Der Schnee knirscht unter Füßen und Pfoten. Gemeinsam laufen wir uns schnell warm. Rund um Menschenmund und Hundeschnauze bilden sich kleine Atemwolken. Kann es etwas Schöneres geben? Das idyllische Bild könnte nur noch von einem aus dem Unterholz hervorbrechenden Reh gekrönt werden. Und da ist es. Wunderschön, wirklich. Aber es gibt nichts Schlimmeres. Denn Paule ist ein echter Jäger. Jetzt hat er die Verfolgung aufgenommen. Und es ist zu spät.

Sie taten, was Sie tun konnten.

Dabei haben Sie sich mit aller Umsicht entsprechend gewappnet. Die Taschen sind voller Delikatessen, der absolute kulinarische Jackpot für ganz besondere Notfälle ist im Rucksack verwahrt. Die Schleppleine hangelt um Ihre Beine, die Pfeife schlenkert unbenutzt am Hals. Die Wassersprühflasche liegt in der Hand. Und trotzdem: Es ist zu spät. Gut, dass man nun die Worte der Trainerin aus der letzten Übungsstunde noch im Ohr hat. „Ruhig bleiben jetzt, nicht hinterher schreien und: Richtungswechsel! Benno soll lernen, auf Sie zu achten. Er soll Sie suchen. Und nicht umgekehrt.“ Aber Sie wissen es genau: Er wird Sie nicht suchen. Warum auch? Sie sind in diesem Augenblick kein guter Partner. Denn Sie teilen Paules Leidenschaft nicht. Wie ein vom Teufel Besessener Hasen zu jagen oder Rehen hinterher zu setzen. Und Sie werden seinen Eifer nie verstehen. Oder nehmen Sie Drogen? Denn Ihr Hund im Jagdfieber ist high. Er tut, wofür er geschaffen wurde. Und es geht ihm unbeschreiblich gut dabei. Er ist ein Hund und tut, was er nicht lassen kann.



Jetzt nur nicht die beleidigte Leberwurst spielen.

Dieser Reflex hat nichts mit Ihnen oder Ihrer Bindung zu tun. Sie wissen das. Eine Überdosis an Glückshormonen treibt ihn zu dieser eigenständigen Höchstleitung. Er wird es immer wieder tun. Sein Jagen und Ihre Verzweiflung treiben Sie auseinander, dieser ewige Konflikt gräbt tiefe Spuren in Ihre Beziehung. Denn Sie haben es satt. Sie haben alles versucht. Viel Geld gezahlt und noch mehr Nerven gelassen. Heute haben Sie es endgültig satt. Das war’s, Sie werden ihn nie mehr ableinen, das schwören Sie. Jagen ist ja selbstbelohnend. Also müssen Sie das Jagen verhindern, indem Sie ihn nie mehr freilassen. Er ist selber schuld.

Dieser Schwur hält vielleicht 24 Stunden, also bis Morgen. Denn Ihr Hund, der kann nicht anders, Sie wissen das. Er jagt nicht dem Hasen hinterher, sondern dem einzig wahren unübertrefflichen Glücksgefühl. Ihr Hund befindet sich in akuter Suchtgefahr. Aber Sie werden es besser machen. Morgen.


Jagen, um zu überleben

Auch wenn Hunde auf der Jagd keinen Erfolg haben, sie werden es immer wieder tun. Auf heißer Fährte wird das Gehirn des Hundes überschwemmt mit Glückshormonen wie Dopamin und Adrenalin und anderen körpereigenen Opiaten. In diesem Zustand kennt er weder Schmerz noch Frustration über ausbleibende Jagderfolge. Es stimmt, dass Hunde normalerweise immer nur das Verhalten zeigen, das sich für sie lohnt. Das stimmt. Aber nicht in diesem Ausnahmezustand. Auch wenn der Hase entwischt, bedeutet das noch lange kein „Geht nicht, also lohnt sich nicht“. Denn das Jagen ist im biologischen Sinne selbstbelohnend. Und so muss es sein, damit der Hund auf Nahrungssuche nicht aufgibt. Das ist sein wölfisches Erbe, das dem Urvater das Überleben sicherte. Und das ist unser großes Problem. Auch nach tausenden Jahren wohlkalkulierter Zuchtauslese ist da immer noch der alles beherrschende Instinkt, Beute zu machen. Wir kriegen das Jagen beim Hund nicht heraus, schließlich haben wir es ja auch nicht hineingetan.

Auch der Superjackpot ist kein Treffer

Die Dressur über Leckerchen und sonstige Belohnungen führt beim leidenschaftlichen Jäger ganz sicher nicht zum Erfolg. Sie können das Signal für den sogenannten Superschlachtruf noch so sauber aufbauen und konditionieren, ein echter Jäger hat diese Konditionierung im entscheidenden Moment vergessen. Er wird sich immer gegen die Wurst und für das Wild entscheiden, aber damit nicht zwangsläufig gegen Sie. Jagdpassion hat nichts mit schlechter Erziehung oder mangelnder Bindung zu tun. Es ist der Ruf der Wildnis, der alle Sinne mobilisiert. Derart hormongesteuert bleibt dem Jäger keine Wahl. Doch wir wollten uns ja unbedingt einen Jagdgebrauchshund anschaffen. Jetzt haben wir das Problem. Wie es dem Hund dabei geht, seinen ursprünglichen Instinkt nicht ausleben zu dürfen, nicht jagen zu dürfen, kann man sich denken. Beim Hund einfach nur das Jagen zu unterbinden, reicht nicht aus. Er braucht eine Jagdalternative.

Von Jägern und Jägern

Beim jagenden Hund gilt es deutlich zu unterscheiden. Und zwar zwischen dem Hund, der aus Langeweile jagt und dem wirklichen Jäger, dem Hund mit hohem Jagdtrieb.

Ersterem fehlt die Beschäftigung mit dem begleitenden Sozialpartner. Die meisten Hunde gehören dieser Gruppe an. Schon mit einfachen Übungen und Spielen wird Ihr Vierbeiner das Jagen gerne unterlassen. Er jagt nur, weil ihm nichts Besseres übrig bleibt. Wir zeigen Ihnen, wie Sie zum Mittelpunkt des Interesses Ihres Hundes werden. Durch verschiedenste Übungen aus der Nasenarbeit, kombiniert mit Impulskontrolle-Training, wird aus dem vermeintlichen Jäger ein entspannter Wegbegleiter. So, wie Sie sich das immer gewünscht haben. Und schon nicht mehr geglaubt haben.

Bei Hunden, die genetisch bedingt jagen und dies bereits über mehrere Jahre hinweg tun, ist die Prognose nicht wirklich ermutigend. Hier haben Sie als Halter das Problem, und nicht der Hund. Er tut lediglich das, wozu er gezüchtet wurde. Hinterherschreien und Strafe bei Rückkehr machen die Situation nur schlimmer. Ihr Hund wird nicht verstehen, warum Sie seine größte Leidenschaft nicht teilen.

Vollbremsung über Impulskontrolle

Doch kann man über einen guten Gehorsam den Hund auch unter hoher Ablenkung sicher führen lernen. Auch wenn Hase oder Reh den Weg kreuzen, ist Ihr Hund kontrollierbar - wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt! Abwechslungsreiches und intensives Training mit dem Hund führt zu einer besseren Kontrolle in schwierigen Situationen. Wie oben dargestellt schüttet das Gehirn beim Jagen Botenstoffe aus – sogenannte Neurotransmitter - die nach der Anstrengung positive Gefühle hervorrufen. Der Hund versucht, diesen Glückzustand sooft wie möglich erneut herbeizuführen. Er hat gelernt, dass Rennen und Hetzen glücklich macht. Der rasende Hase oder das fliehende Reh wird zum Auslöser, zur Verheißung schöner Gefühle. Diese Verknüpfung kann nicht gelöscht werden. Das Hochgefühl können wir nicht ersetzen. Aber wir können erreichen, dass nicht mehr danach gesucht wird, indem wir die Reiz-Reaktionskette vorzeitig unterbrechen.

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