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AutorenbildSabine Hulsebosch

Grenzen setzen. Ein heikles Thema. Warum eigentlich?



Erziehung über Schmerz?

Muss man Tieren Schmerz zufügen, um sie zu erziehen? "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen", schreibt der Gesetzgeber in Paragraf 1, Seite 2 des Tierschutzgesetzes vor. Was aber ist ein vernünftiger Grund? Ein Tier oder seine Produkte essen zu wollen und es dafür billig großzuziehen, reichen als Begründung schon aus, um ihm erhebliches Leid zuzufügen.

"Schmerzen sind nötig und artgerecht", sagen die Befürworter. Sie begründen ihren Standpunkt damit, dass Hunde untereinander auch nicht zimperlich sind. Zwicken, über die Schnauze greifen, rempeln, umstoßen, das alles machen Tiere untereinander bis hin zum Beschädigungskampf.


Andere Trainer bekennen sich zu einer Abkehr von körperlicher Strafe, befürworten aber die verbale oder körpersprachliche Grenzsetzung. Das ist ohne Gewalt viel effizienter. Der Begriff Strafe läuft viel zu schnell auf einen Machtkampf mit unserem Sozialpartner Hund hinaus. Mit diesem Wort wird in der Regel assoziiert, dass man sich durchsetzen muss, dem anderen zeigen muss, wer das Sagen hat. Der Halter gerät in eine nicht gewollte Gewaltspirale, in der es nur noch darum geht, sich dem Hund gegenüber unter allen Umständen durchzusetzen. Korrekturen am Hund, ein kontrovers diskutiertes Thema

Über das, was artgerecht ist, streiten sich Hundehalter wie Trainer. Früher übliche "Trainingsansätzte" über Kettenwürger und Elektroschockgeräte wurden in der modernen Hundeerziehung durch Clicker, Schleppleinen, Brustgeschirre und Leckerlis ersetzt. "Gut so", findet Biologin Claudia Wagner, die einen zertifizierten Ausbildungsbetrieb des Berufsverbands für Hundeerzieher und Verhaltensberater (IHK/BHV) leitet. "Die Konsequenzen, die entstehen, wenn man zum falschen Zeitpunkt und zu hart bestraft, sind verängstigte Hunde, ein kaputtes Hund-Halter-Verhältnis, erlernte Unsicherheit oder Misstrauen und Aggression." Nur sollte man aus Angst vor Fehlern nicht die Hände in den Schoß legen und auf die Erziehung des Hundes verzichten.

Wäre der Wald vergiftet, würde kein Hund jagen

Grenzen setzen und Freiraum gewähren ist manchmal ein Balanceakt, der uns herausfordert. Ganz besonders betrifft das Hundehalter, die einen Jagdhund oder Windhund führen oder einen Hund haben, der nicht sozialverträglich ist.


Wäre der Wald vergiftet, würde kein Hund jagen. Erzählt Mantrailing-Experte Armin Schweda seinen Schülern , und dass sich weniger über Methoden, als mit der richtigen inneren Einstellung selbst die anspruchsvollsten Ziele erreichen lassen. Wäre der Wald vergiftet, würde man nämlich erstens sofort, zweitens nachdrücklich und drittens immer reagieren, sobald der Hund nur eine Pfote breit vom Weg abkommt. In diesem Moment übernehmen wir die Führung, handeln authentisch und unverkrampft. Würden wir in banaleren Situationen entsprechend schnell, intensiv und konsequent reagieren, gäbe es wohl weniger Probleme mit zuverlässigem Gehorsam.


Im häuslichen Bereich setzen die meisten Leute das auch um, zumindest bei dem, was ihnen wichtig ist. Wer einen jungen Hund hat und nicht möchte, dass er sich an den Möbeln zu schaffen macht, wird kaum versuchen, ihn stundenlang mit dem Kommando Platz in die Mitte des Zimmers zu legen. Wir erwarten in so einer Situation, dass der Hund sich entsprechend verhält. Tut er es nicht, machen wir ihm sofort unmissverständlich klar, was wir davon halten. Das funktioniert draußen genauso.

Grenzen beim Hund setzen bedeutet Strafen verhindern

Wer umsichtig denkt und handelt, präsent ist und Verantwortung übernimmt, wird zum Leader, dem Hunde gern folgen. Je mehr das gelingt, desto überflüssiger werden Strafen.


Vorausschauendes Denken und Handeln helfen, Strafen zu verhindern. Ich kann natürlich abwarten, bis mein Kind auf die heiße Herdplatte fasst, und dann sagen: Siehst du, das passiert. Ich könnte aber auch Barrieren bauen oder vorm Berühren einen Warnschrei loslassen. Genau diese Einstellung brauchen wir bei Hunden. Ein Hundeleben hat viele heiße Herdplatten, die oft lebensbedrohlich sind, und der Hund kann sie nur einmal ausprobieren. So spricht nichts dagegen, ihn anzuleinen, wenn man sich beim Spaziergang unterhalten möchte. Hat der Hund noch nicht gelernt, auf seinem Platz zu warten, wenn Besucher klingeln, kann man ihn anbinden oder die Zimmertür schließen. Es ist nur fair, einen Hund, der noch nicht ausgebildet ist, davor zu bewahren, Fehler zu machen, statt ihn dauernd zu bestrafen.

Fazit: Wer umsichtig denkt und handelt, präsent ist und Verantwortung übernimmt, wird zum Leader, dem Hunde gern folgen. Je mehr das gelingt, desto überflüssiger werden Strafen.

Was ist mit Konsequenz beim Hund gemeint?

Jeder Halter wünscht sich einen Hund, der an lockerer Leine läuft. Wer Strafen missbilligt und lieber jedes Mal stehenbleibt, bis die Leine locker ist, braucht Geduld und viel Zeit. Ist man konsequent genug, kommt man auch ohne Strafen ans Ziel. Manche Hundehalter überfordern sich aber mit dem Anspruch, keine Fehler zu machen und den Hund nie zu korrigieren. Wer seine eigenen Bedürfnisse verleugnet, fühlt sich rasch genervt, sagt halbherzig Ja und wirkt dadurch ambivalent. Wer nicht eindeutig sagt, was ihm missfällt, wird nicht ernst genommen.

Je klarer und selbstsicherer Du Deine eigenen Wünsche artikulierst, desto besser lernt Dein Hund Dich kennen und weiß, was er darf und was er nicht darf. Hunde kennen kein Vielleicht. Je deutlicher wir uns ihnen gegenüber ausdrücken, desto leichter können sie das richtige tun.

Die verschiedenen Methoden, Grenzen zu setzen


Die körperliche Begrenzung

Nicht jedes körperlich vermittelte "Nein" ist schmerzhaft. Den Hund mal zur Seite zu schubsen, vom Mauseloch wegzudrängen oder ruhig festzuhalten, um ihn zu begrenzen, tut nicht weh, zeigt aber Wirkung. Ob man dadurch den Hund von stark motivierten Handlungen wie dem Jagen abhalten kann, hängt oft mit der inneren Einstellung des Menschen zusammen.

Je entschlossener Du bist, Dich durchzusetzen, umso weniger hart musst Du eingreifen. Mentale Stärke wiegt körperliches Einschreiten auf. Gelingt diese Entschlossenheit nicht, hilft nur vorausschauendes Handeln wie zum Beispiel abhalten, umlenken oder anleinen.

Erziehung ausschließlich über positive Verstärkung

Statt den Hund zu maßregeln, wenn er in der Leine hängt und zu einem Artgenossen will, ist es möglich so lange zu warten, bis der Hund sich kurz nach hinten orientiert, und sei es nur zufällig und ohne weitere Absicht. In dem Moment, in dem sich die Leine lockert, lässt man den Hund los.

Es ist zwar ein langer aber nachhaltiger Lernprozess, bis der Hund auf diese Weise begriffen hat sich zurückzunehmen und erst nachzufragen, ob er gehen darf.


Es ist wünschenswert und je nach Hundepersönlichkeit und rassespezifischer Eigenheit sicher möglich, ganz auf Korrekturen zu verzichten, unter Umständen aber langwierig, weil der Alltag Überraschungen bereithält, die nicht auf dem Lehrplan stehen. Zudem ist diese Erziehungsmethode bei selbstbelohnendem Verhalten wie Aggression und Jagen ungünstig. Wenn Du nicht reagierst, wenn Dein Hund sich in den Wald auf und davonmacht, sondern ihn belohnst, wenn er irgendwann zurück kommt, wirst Du ihm auf diese Weise ganz bestimmt nicht deutlich machen können, dass Du nicht willst, dass er jagen geht.


Deinem Hund kannst Du nichts vormachen. Solltest Du auch nicht.

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass Dein Hund als Dein Sozialpartner ein Recht darauf hat zu wissen, was er darf und was er nicht darf. Er hat ein Recht auf ehrliche Kommunikation, auf Authentizität. Deinem Vierbeiner kannst Du eh nichts vormachen. Er merkt Dir an, wenn Du ihn lobst obwohl Du eigentlich enttäuscht oder sauer auf ihn bist weil er wieder abgehauen ist ohne vorher um "Erlaubnis" zu fragen. Aus Deinem indifferentem, ambivalentem Verhalten ihm gegenüber lernt er, er kann Dir nicht vertrauen.

Das Abbruchsignal oder auch Schreckreiz genannt

Ein situationsbezogenes "Hey!", ein Händeklatschen, ein plötzlicher Richtungswechsel oder unerwartetes Verhalten des Hundeführers können dabei helfen, dass anschließend positive Lernimpulse umgesetzt werden können. Auch im Handel erhältliche Hilfsmittel wie Sprühhalsbänder oder Trainingsdiscs, mit denen man Fehlverhalten anonym korrigieren kann, dienen dem Abbruch des unerwünschten Verhalten. Eine deutlich kommunizierte Bis-hierhin-und-nicht-weiter-Warnung, lass das, was Du gerade tun willst. Wichtig ist hier der saubere Aufbau des Abbruchsignals, das genaue Timing und das Aufzeigen einer Verhaltensalternative, also dass wir dem Hund sagen, was er stattdessen tun soll.

Genau geprüft werden muss vor dem Abbruchtraining mit diesen Hilfsmitteln, ob der Hund nicht panisch auf den Strafimpuls reagieren kann. Dies sollte vorher unbedingt abgeklärt werden. Hörsensible oder umweltunsichere Hunde können mit diesen Methoden sonst dauerhaft verunsichert werden.


Arbeitet man mit einem Schreckreiz, will der schnelle Wechsel gelernt sein. Reagiert der Hund auf ein "Hey" oder Händeklatschen, folgt prompt ein freundliches "Komm her" oder "Schau mich an", das belohnt werden kann. Wer sich für die anonyme Bestrafung entscheidet, sollte bedenken, dass es keine Erziehung auf Klick gibt. Es ist wichtig, nach dem Warum des Unerwünschten zu fragen, bevor man diese Geräte einsetzt.

Den Hund isolieren

Viele Trainer sehen im sozialen Isolieren eine Alternative zur körperlichen Strafe. Um soziale Übergriffe wie raues Spiel, Knabbern, Springen oder Betteln abzustellen, wird der Hund für eine Zeit in einem anderen Raum allein gelassen. Sie fügt dem Hund keinen körperlichen Schmerz zu, entzieht ihm aber etwas Angenehmes, nämlich die Nähe seines Menschen, und damit die Möglichkeit, Zuneigung zu erfahren und sozial zu interagieren. Diese Vorgehensweise ist umstritten, zumindest wenn die Auszeit länger als ein paar Minuten dauert: "Für ein soziales Lebewesen wie den Hund ist das eine knallharte Strafe", so der Verhaltensforscher Günther Bloch, der diese Art des Korrigieren ablehnt.


Nach müde kommt blöd. Die kurze Auszeit bewahrt den Hund vor impulsiven Handlungen und Fehlern, die nicht rückgängig zu machen sind. Aber es ist fraglich, ob Hunde hier Ursache und Wirkung miteinander verknüpfen können: Kaniden maßregeln sich gegenseitig nicht durch soziales Isolieren. Einschränkung von Bewegung wie ihn auf seinen Platz schicken und dort Fixieren ist hundetypisch.

Den Hund links liegen lassen

Hier wird mit Nichtbeachtung bestraft, man blickt und läuft quasi durch ihn hindurch. Die Theorie dahinter besagt, dass Hunde nur das tun, was für sie lohnend ist. Wird ein Verhalten nicht durch Aufmerksamkeit bestärkt, lässt er es irgendwann. Das funktioniert jedoch nur eingeschränkt, denn gerade viele unerwünschte Verhaltensweisen sind selbstbelohnend: Es macht einfach Spaß, Postboten zu vertreiben, nach Mäusen zu buddeln und alles zu jagen, was flieht. Wird Hund dann ignoriert, kann er sich ungestört austoben.


Beim Ignorieren muss man unterscheiden: Ist das Verhalten des Hundes selbstbelohnend, wirkt diese Erziehungsmethode nicht. Außerdem sollte man sie nicht anwenden, wenn Fremde betroffen sind und angesprungen oder gestellt werden. Lästiges Betteln lässt sich mit Konsequenz aber abstellen.

Fazit

Ohne Grenzen geht es nicht, auch wenn der Begriff unpopulär ist.

Dabei können Grenzen unseren Hund schützen. Wie so oft kommt es darauf an, von welchem Standpunkt aus man schaut. Eine gute Strategie ist, so früh wie möglich vorausschauend und fürsorglich zu handeln, um Fehler zu verhindern und folglich Strafen weitgehend zu vermeiden. Das kann je nach Situation aktiv sein, durch ein eindeutiges "Ich will das nicht!", oder passiv zum Beispiel durch rechtzeitiges Anleinen. Zugegeben, das gelingt nicht immer. Es gibt diese Tage, an denen wir langsam sind, an denen wir nicht aufpassen oder eine Situation falsch einschätzen und der Hund rauft, jagt, klaut oder etwas zerstört. Manchmal ist es sinnvoll, sein Fehlverhalten dann zu ignorieren, bisweilen ist es wirkungsvoller, ihn zu korrigieren. Ob man es deswegen tut, ist eine andere Frage. Falls man sich dafür entscheidet, dann sollte man es richtig tun, nämlich unmittelbar und mit der nötigen Intensität.


Denn wenn der Wald vergiftet wäre ...

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