Sabine Hulsebosch
Über den Rückruf, die Königsdisziplin.
Aktualisiert: 7. Aug. 2020

Ich will doch nur dass er kommt wenn ich ihn rufe… NUR?
Hunde, die ihr Leben lang nur angeleint geführt werden kann, sind bemitleidenswert. Hunde, denen die Wonne des unbegrenzten Freilaufs nicht gegönnt wird, leben ein Leben in geminderter Qualität.
Menschen, die sagen, ihr Hund sei aus rassespezifischen Gründen (meist Halter von Wind- und Jagdhunden) nicht ableinbar, und die ein sauberes Rückruf Training nicht zumindest versuchen, machen es sich zu einfach. Meine Meinung.
Genetisch fixierter Jagdtrieb: Über Windhunde & Co
Ich habe selbst eine spanische Galgo- Podenco Mischlingshündin, die zuvor bei einem Jäger unter miserabelsten Umständen ein trostloses, hartes und unwürdiges Leben geführt hat, das nur den einen Zweck hatte: Beute zu erjagen. Ich weiss aus eigener Erfahrung, was ein genetisch fixierter Beutetrieb ist. Es bedeutet dass der Fokus draussen nur auf Wildspuren (Nase) und bewegliche Objekte (Augen) gerichtet ist. Es bedeutet, dass der Jagdtrieb über allem steht. Es bedeutet. draussen erstmal wenig Spaß zu haben, auf gemütliche Spaziergänge zu verzichten, Telefonate besser auf Zuhause zu verschieben. Weil man den Fokus auf den Hund hat, auf das, was er mir anzeigt, was er sieht, fühlt, was er als Nächstes tun wird. Bindung und Belohnung über Goodis & Spiel spielen keine Rolle. All das wird draussen in Feld und Wiesen ausgeschaltet wie ein Lichtschalter, den wir betätigen. Aber Teamwork und Gehorsam, das sind die Dinge, die es gilt zu fördern und zu etablieren.
Hartnäckigkeit, Geduld, den Hund lesen lernen und das richtige Timing machen’s möglich
Aufmerksamkeit und Ansprechbarkeit meiner Windhündin draussen habe ich mit viel Geduld, Ausdauer, gegenseitigem Respekt und einer Menge Frustrationstoleranz erarbeiten müssen. Heute ist sie ableinbar, in zahlreichen Gegenden. Wenn uns das Wild nicht plötzlich, ohne dass ich das Gebiet einsehen kann, vor die Füße läuft. Sie genießt es, über die Wiesen zu schweben, die Weizenfelder meterhoch zu durchspringen, durchs Wasser zu flitzen, ihre Nase in Mäuselöcher zu stecken. Und ich liebe es, ihr das alles geben zu können. Weil sie abrufbar ist.
Abbruchsignal statt Rückruf
In der Regel handhaben wir den Rückruf nicht als Signal, zu uns zu kommen wenn wir rufen, sondern als Abbruchsignal. Wir rufen unseren Hund von etwas ab, statt zu etwas Lohnenswerten hin. Zwang statt Zug. Wir rufen den Hund, wenn er gerade was Interessantes schnüffelt, rufen ihn ab aus dem Spiel mit seinem besten Kumpel, wir rufen ihn wenn die Wildspur in die Gegenrichtung ruft. Wie fänden wir es, von unserer heißgeliebten Fernsehserie weggerufen werden, um die Spülmaschine auszuräumen. Wie finden das Kinder, vorzeitig von der Geburtsfeier abgeholt zu werden, noch bevor es die Schnitzeljagd beginnt. Wie finden Fußballfans es, den Platz in der VIP Lounge zu räumen, weil zuhause der Rasen noch schnell gemäht werden muss.
Der Rückruf als Abbruchsignal, das kann nicht gelingen. Und führt dazu, dass wir sagen, der Hund hört nicht und kommt nicht mehr von der Leine.
Die Bestseller - Fehler beim Rückruf
Im Folgenden sind einige Punkte aufgelistet, die dazu führen, dass der Rückruf immer unzuverlässiger befolgt wird:
- Dem Welpen werden zu viele Freiheiten gewährt. Von einem viel zu grossen Aktionsradius hin zu mehr Einschränkung. Umgekehrt muss es sein.
- Der Rückruf wurde unter Ablenkung eingesetzt, bevor das Hörzeichen richtig verankert war.
- Das Hörzeichen ist nicht ausreichend gefestigt von wenig zu mehr Ablenkung und nutzt sich ab, weil der Hund das Hörzeichen unterläuft.
- Das Hörzeichen „ Komm“ wird sonst im Alltag oft beiläufig benutzt: komm wir einkaufen; komm mal schauen: komm sei brav etc. Auch variiert das Hörzeichen. komm her, hier, komm doch bitte Schatz, Frauchen geeeeht jetzt, tschüüüüss! Paule!, lecker lecker, FRÜÜÜÜHSTÜCK! …
- Das Hörzeichen klingt nicht verbindlich genug, sondern wird wie ein Angebot gerufen.
- Der Hund muss nach jedem Zurückkommen auch noch absitzen. Damit belohnen wir das Sitz und nicht das Zurückkommen.
- Unsere Körpersprache ist ausladend, statt einladend. Wir neigen uns nach vorne, gehen auf den Hund zu, beugen uns über ihn wenn er bei uns ist.
- Unsere Stimme wird immer ärgerlicher und lauter, je länger es dauert. So vertreiben wir jeden Hund, und sei er noch so guten Willens.
- Wir rufen den Hund im falschen Moment, also zum Zeitpunkt der höchsten Ablenkung.
- Als Belohnung leinen wir den Hund immer an, wenn er kommt.
- Die Belohnungen sind nicht angepasst und zuwenig variabel: ein Gudi gegen ein abgebrochenes Rennspiel mit einem anderen Hund. Da muss mehr drin sein.
- Der Hundename wird dauernd und zu jeder Gelegenheit gerufen und wird für den Hund zu einer bedeutungslosen Floskel.
- Der Kopfknuddel, wenn der Hund angekommen ist. Die meisten Hunde mögen ihn nicht und macht unter Umständen sogar angst. Gut gemeintes Lob ist hier dann Korrektur.
- Schimpfen, wenn der Hund dann nach wiederholtem Rufen kommt; verknüpft der Hund dann mit dem Kommen und seinem Menschen, eher ungünstig!
Was kannst Du tun damit Dein Hund sich zuverlässig abrufen lässt?
Erstmal die beschrieben Dinge oben nicht tun. Zeitgleich solltest Du den Rückruf systematisch und mit Hilfe der Schleppleine (Brustgeschirr!) aufbauen. Wie das geht, zeigen wir Dir in einem unserer Rückruf Workshops. Gerne kannst Du auch Einzeltermine buchen:
https://www.hundtutgut.de/erziehung
Schreib uns einfach eine E-Mail, wir freuen uns auf Euch.